Standort: Rumänische Akademie
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Im Herbst 2019 fand in der rumänischen Hauptstadt ein Symposium zum Berliner Mauerfall und die rumänische Revolution von 1989 in der Rumänischen Akademie statt. Als Zeichen für den Kampf um Freiheit und Demokratie wurde im Hof der Akademie ein Mauersegment aufgestellt.
Zur Einweihung kamen u.a. der rumänische Premierminister Ludovic Orban, der deutsche Botschafter in Rumänien Cord Meier-Klodt, der rumänische Botschafter in Berlin Emil Hurezeanu, sowie der ehemalige Premier- und Vizepremierminister aus der provisorischen Regierung nach 1989 Petre Roman und Gelu Voican Voiculescu.
Zur Einweihung sagte Premier Orban:
Zunächst gratuliere ich der Akademie zu dieser symbolischen Initiative, die deutlich machen will, dass wir dieses Symbol im Auge behalten müssen, das die freie Welt praktisch von der Welt der Menschen getrennt hat, die mit Handschellen gefesselt, niedergeschlagen und ohne Freiheit waren und deren Würde von kommunistischen Regimen mit Füßen getreten wurde. Es ist für mich eine Ehre und ein Privileg, diese Rede im Namen der Regierung in diesem angesehenen Saal zu halten, der Gründungsinstitution des modernen Rumäniens und dem Treffpunkt der aufgeklärtesten Köpfe unserer Nation in den letzten anderthalb Jahrhunderten.
Bei dem Gedanken, zu Ihnen als Premierminister einer von der Nationalliberalen Partei gebildeten Regierung zu sprechen, spüre ich umso mehr die historische und symbolische Bedeutung des Ereignisses, das uns heute hier zusammenbringt. Die Berliner Mauer war 28 Jahren lang für die meisten Menschen hier in unserem Leben der materielle Ausdruck einer bedrückenden Realität, von der viele dachten, wir könnten sie niemals loswerden. Es ist eine großartige Lektion, die uns die Zeit lehrt, indem wir auf die Relikte eines der unheimlichsten Versuche blicken, menschliche Bestrebungen einzusperren, und zugleich das Bewusstsein haben, dass wir in einem Europa leben, dessen Geschichte ohne den Eisernen Vorhang bereits länger ist als die Zeitspanne, in der uns die Mauer voneinander trennte. Als die Mauer 1961 gebaut wurde, schien sie das Zeichen einer endgültigen Realität zu sein, mit der wir uns abzufinden hatten.
Nur wenige haben es auf beiden Seiten der Mauer anders gemacht, diejenigen, die verstanden haben, dass ein Regime, das seine Leute gefangen hält, weil es ihr Vertrauen und ihre Loyalität nicht gewinnen kann, ein Regime ist, das bekämpft werden kann und muss. Der Fall der Mauer im Jahr 1989 unter dem enormen Gewicht des Scheiterns kommunistischer Regime war auch das Ergebnis des moralischen und politischen Handelns derer, die die Hoffnung nicht aufgaben, derer, die glaubten, dass selbst angesichts der brutalsten Realität etwas dagegen unternommen werden kann.
Es ist wahr, dass das politische Gedächtnis leider kurz ist. Deshalb bin ich der rumänischen Akademie dankbar, die uns heute daran erinnert, dass Vertrauen, Vertrauen in die Menschen, in ihre Stärke, das Herzstück jeder politischen Vision sein muss. Als Mitglied einer Generation, die ihre Jugend im Schatten dieses Symbols der Tyrannei erlebte, habe ich auch die Erinnerung an die Explosion der Hoffnung jener Zeit, als der Kommunismus auf reale, aber auch symbolische Weise zusammenbrach. Ich habe die bittere Erinnerung an den Übergang, zugleich ist mir aber auch bewusst, dass dieser Moment Ende 1989 der Moment war, in dem Rumänien wieder ein demokratisches Mitglied der Europäischen Union werden konnte. Aber politisches und historisches Schicksal ist niemals gegeben, es ist kein Weg, der vor uns liegt und den wir nur triumphierend überqueren müssen. Es ist eine Pflicht und eine Lektion, die man im Leben lernen muss. Künstliche Spaltungen, die Verbreitung politischer Fehler sind immer noch ein Teil unserer Welt. Europa selbst wird heute auf die Probe gestellt durch Versuche, neue Mauern zu errichten, vielleicht nicht aus Beton, sondern aus der noch gefährlicheren Mischung aus Vorurteilen, Misstrauen, Manipulation und schädlichen Interessen. (Quelle: Rumänische Regierung)
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